Lustige Frau

Da sitzt also diese schmale Frau am Vierertisch. Tief in ihrem Stuhl versunken, liest sie ein Buch. Man denkt wohl: Lustige Frau, gutes Buch. Doch es scheint ganz so, als würde sie dieses Buch unter einem Alibi lesen, sodass sie von Minute zu Minute mit ihren großen braunen Augen aufsehen kann und stille Betrachterin der Momente ist. Die Hose ist etwas zu kurz, die Socken kariert. Beim Hochschauen zieht sie ihre Brille weiter und weiter auf ihre Nasenspitze. Wenn sie noch einmal hochschaut, fällt sie bestimmt runter. Ein Bein auf den gegenüberliegenden Stuhl gelegt, könnte man sie mit einem frechen Mädchen verwechseln, das bald von der alten Frau am Nachbartisch einen bösen Blick zugeworfen bekommt. Auf ihrem Kopf liegt eine Baskenmütze, ihre Haare sind eine Mischung zwischen sandgelb und gebäckblond. Die Augenbrauen sind dünn gezupft und lassen ihr kurzes Aufschauen wie eine Ermahnung wirken, die sich durch ihre Handbewegung – eine langsame Bewegung in Richtung ihres Gesichts, um ihre faltige Stirn auf Daumen und Zeigefinger zu stützen- verdeutlicht. Lasst mir meine Ruhe, könnte sie sich denken. Doch ihr Mund sagt Anderes, der zieht Lachfalten und lässt grübeln, was aus ihm schon alles gesprochen wurde. Ganz am Rande des Cafés sitzt sie, da wo es runter zum Meer geht und wo die grünen Blätter der alten Bäume greifbar sind. Und dann klingelt ihr Telefon und sie hebt ab und spricht und lacht und ihre weißen, alten Zähne blitzen aus ihrem Mund heraus und ihr ganzes Gesicht ergibt nun Sinn, sie ist hübsch und lustig und schaut gerne hoch.